Schlechtere Jobchancen für Frauen im "gebärfähigen Alter"?
Von Jessika Fichtel am 24/07/2017Gender Pay Gap, die Notwendigkeit einer Frauenquote und ungleiche Renten sind nur drei Beispiele, die belegen, dass Frauen nach wie vor nicht die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Sie werden nicht nur schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen, sondern haben auch viel seltener die Möglichkeit, eine Führungsposition einzunehmen. Immer häufiger wird auch der Vorwurf laut, dass Arbeitgeber Frauen im „gebärfähigen Alter“, also zwischen Anfang 20 und Mitte 30 bei der Besetzung von offenen Stellen benachteiligen. Was ist dran an dieser Behauptung?
Karriere-Killer Kind
Es könnte ja alles so schön sein. Die Bewerberin passt perfekt ins Jobprofil, weist erstklassige Abschlüsse auf und scheint auch auf der sozialen Ebene hervorragend zum Unternehmen zu passen. Da wäre nur ein Haken: Sie könnte in nächster Zeit schwanger werden.
So absurd es auch klingen mag, für viele Unternehmen ist allein die Möglichkeit, ein Kind auf die Welt zu bringen, ein eindeutiges Ausschlusskriterium, das gegen eine Einstellung einer (qualifizierten und geeigneten) Frau spricht. Unzählige Einzelschicksale von betroffenen Frauen bestätigen das. Egal ob in der echten Welt oder im World Wide Web – wer sich einmal auf die Suche nach Frauen macht, die aufgrund ihrer Gebärfähigkeit keinen Job finden, wird in der Regel schnell fündig.
Tatsächlich gilt ein Kind nach wie vor als einer der größten Karriere-Killer für weibliche Erwerbstätige. Die Argumentation der Arbeitgeber (und übrigens auch einiger Arbeitgeberinnen!): Es ist wenig effizient (und noch dazu angeblich kostenintensiv), die Frau erst einzuarbeiten, nur um wenige Monate später mitgeteilt zu bekommen, dass sie bald in den Mutterschutz geht und danach für mehrere Monate oder gar Jahre ausfällt. Anstatt sich danach auf die Suche nach einer Vertretung zu machen, gehen viele lieber den bequemen Weg und stellen lieber eine ältere Frau ohne (weitere) Nachwuchspläne oder eben einen Mann ein.
Besonders laut schrillen die Alarmglocken vieler Arbeitgeber übrigens, wenn eine Frau kürzlich geheiratet und dementsprechend einen anderen Namen angenommen hat. Für viele ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Nachwuchs unterwegs ist. Karriere-Coaches raten daher häufig, nicht unmittelbar nach der Hochzeit auf Jobsuche zu gehen beziehungsweise nicht den neuen Nachnamen in der Bewerbung zu verwenden.
Diskriminierung von Frauen ist nicht zulässig
In Deutschland gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ verhindern und beseitigen will. (Quelle: AGG Abschnitt 1 §1).
Das bedeutet unter anderem auch, dass ein Arbeitgeber weibliche Bewerber nicht aufgrund von möglicher Schwangerschaft diskriminieren darf. Liegen eindeutige Beweise hierfür vor, handelt es sich um einen Fall für das Arbeitsgericht. Leider kann davon jedoch in den meisten Fällen nicht die Rede sein, da die wenigsten Unternehmen um eine Ausrede verlegen sind, wenn es darum geht, Frauen im „gebärfähigen Alter“ Absagen zu erteilen. Häufig werden Pseudo-Argumente wie mangelnde Qualifikation oder „noch bessere“ Bewerber vors Loch geschoben, um der betroffenen Frau nicht den wirklichen Grund sagen zu müssen.
Egal aus welchem Grund – Absagen sind in jedem Fall extrem demotivierend und können selbst die ambitionierteste Jobsuche ins Wanken bringen. Wie Sie besser mit einer Absage umgehen, lesen Sie in diesem Beitrag aus unserem Bewerbermagazin.
Muss ich meine Schwangerschaft bei der Jobsuche angeben?
Kurz und knapp: Nein. Wenn eine Frau schwanger und auf Jobsuche ist, muss sie das dem potentiellen Arbeitgeber gegenüber nicht sagen. Entsprechende Nachfragen (auch im Hinblick auf eine in naher Zukunft geplante Schwangerschaft) müssen von der Bewerberin nicht beantwortet werden. Auch eine Lüge ist in diesem Fall legitim – schließlich ist die Familienplanung Privatsache und damit ein Thema, das den Arbeitgeber nichts angeht.
Die Möglichkeit, zu schweigen, gilt im Übrigen auch, wenn es tatsächlich zum Unterschreiben eines Arbeitsvertrages kommt. Ist die Schwangerschaft schließlich nicht mehr zu übersehen beziehungsweise entscheidet sich die Frau dazu, ihrem Arbeitgeber vom bevorstehenden Nachwuchs zu erzählen, darf dieser die Mitarbeiterin deswegen nicht kündigen. Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Schwangerschaft gilt das Mutterschutzgesetz und damit auch der Kündigungsschutz für die Frau.
Natürlich sollte man es sich immer genau überlegen, wie man mit dem Thema Schwangerschaft während der Jobsuche umgeht. Wird diese dem zukünftigen Arbeitgeber gegenüber verschwiegen und erst nach Zusage verkündet, kann das das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter von Anfang an negativ beeinflussen und nachhaltig schädigen.
Besonders betroffen: Akademikerinnen
Grundsätzlich kann jede Frau zwischen 14 und 44 als „gebärfähig“ eingestuft werden (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Das bedeutet auch, dass es grundsätzlich jede dieser Frauen schwer haben wird, einen guten Job zu finden. Das stimmt, doch gibt es tatsächlich eine Gruppe weiblicher Erwerbstätiger, die besonders hart von der Problematik betroffen sind.
Akademikerinnen verbringen oftmals viele Jahre damit, sich optimal auf das Berufsleben vorzubereiten. Wenn Sie den Jobeinstieg wagen, sind sie in aller Regel ausgesprochen qualifiziert – aber auch „leider“ schon Ende 20, Anfang 30 und damit hochgradig „schwangerschaftsgefährdet“. Es ist ein echtes Dilemma: Obwohl Arbeitgeber Akademikerinnen mit Kusshand nehmen müssten, stellen sie sie in den seltensten Fällen tatsächlich ein. Frustrierender kann der Start ins Berufsleben kaum noch sein.
Was also tun?
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Jobsuche aufgrund Ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen, erfolglos bleibt, sollten Sie natürlich auf keinen Fall tatenlos bleiben.
Das Wichtigste ist, nicht aufzugeben und immer weiter Bewerbungen zu verschicken. In Ihren Unterlagen sollten Sie selbstverständlich Ihre Fähigkeiten, Qualifikationen und Stärken unterstreichen und dem potentiellen Arbeitgeber somit klar machen, dass Sie perfekt für die Stelle geeignet sind. Falls es der Wahrheit entspricht, können Sie auch anbringen, dass das Thema Nachwuchs für Sie derzeit nicht relevant ist und noch ein paar Jahre warten kann. Gleiches gilt, wenn die Familienplanung bereits abgeschlossen ist und keine weitere Schwangerschaft beabsichtigt wird. In jedem Fall sollten Sie souverän mit der Thematik umgehen und auch nicht davor zurückschrecken, Ihrem Gegenüber zu signalisieren, dass ein Bewerbungsprozess und der persönliche Kinderwunsch zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind. In diesem Zusammenhang darf gern auch explizit auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verwiesen werden.